Die Herausforderung
Immer wieder führe ich Gespräche mit Unternehmern, die vor einer klassischen Herausforderung stehen: Generationenwechsel in einem inhabergeführten Familienunternehmen. Obwohl wir hier eigentlich über Unternehmertum, Unternehmensentwicklung und insgesamt sehr rationale Themen sprechen, ist es nach meiner Auffassung tatsächlich überwiegend emtional. Unternehmer der “alten Schule” haben viele Opfer gebracht, um unter Blut, Schweiß und Tränen ein Unternehmen aufzubauen und winden sich bei dem Gedanken, dass Sie dieses Zepter aus der Hand geben sollen. Selbst wenn die reichende Hand aus der eigenen Familie kommt. Diese Situation führt häufig zu Spannungen zwischen der alten und der neuen Generation, da letztere versucht, das Unternehmen zukunftssicher aufzustellen indem sie moderne Methoden und Technologien einführen will, was nicht selten auf Widerstand stößt.
Die Reibungspunkte – Emotionales Erbe und Kontrolle
Gründer/innen haben logischerweise eine unfassbar starke emotionale Bindung zu ihrem Unternehmen. Sie haben von Hand Stück für Stück etwas aufgebaut, bei dem sie Tag für Tag die schwersten Krisen meistern und die größten Hürden überwinden mussten und sind unweigerlich stolz auf die Früchte Ihrer Arbeit. Nicht selten machen Unternehmer dies zu Ihrer vollständigen Identität. Es gab keine Hobbies nebenbei. Keine Netflix-Marathons mit Freunden oder Raum für irgendwas anderes. Der Chef kommt zuerst und geht zuletzt. Sie opfern Partnerschaften, Beziehungen und Quality-Time mit dem Nachwuchs, um etwas zu schaffen zu wollen, dass Generationen später noch Bestand hat und Essen auf den Tisch bringt. Wenig überraschend fällt es ihnen daher schwer, die Kontrolle abzugeben. Die Realisation, dass Ihre Identität nun “angegriffen” wird, da – meist altersbedingt – die Zeiten im Unternehmen gezählt zu sein scheinen und sie in ihrer Wahrnehmung in ein schwarzes Loch von Bedeutungslosigkeit – namentlich Rente – zu fallen drohen erfüllt sie nicht gerade mit Vorfreude. Und dies führt selbstredend zu Widerstand gegen Veränderungen und neuen Ideen, die die Nachfolger einbringen. Der Gedanke keimt auf, man müsse mit letzten Kräften alles tun, um sicher zu gehen, dass alles was man aufgebaut hat, mit dem Wechsel nicht unweigerlich vor die Hunde geht.
Gründer/Innen setzen daher meist auf traditionelle Methoden und bewährte Praktiken. “Das haben wir schon immer so gemacht und es war schon immer gut genug”. Obwohl das sicherlich nicht vollständig falsch ist, löst es in den Nachfolgern natürlich unweigerlich einen erhöhten Puls aus. Diese finden sich nämlich immer wieder in der Situation krampfhaft zu erklären, dass sie selbstverständlich keine Ambitionen haben alles abzuresisen, sondern schlichtweg auf dem Geleisteten aufbauen wollen und in die nächste Generation führen. Die Basis, die Werte, der Ruf und alles was geschaffen wurde ist eine Fackel, die sie mit stolz weiter tragen wollen. Und genau deshalb wollen sie alle ihnen bekannte Möglichkeiten nutzen, um eben dies zu tun. (Re-)Branding, kollaborative Arbeitstools, Digitalisierung und Mitarbeiterführung aus dem 21. Jahrhundert. Und hier beginnt der wahre Konflikt. Beide wollen das Beste für das Unternehmen und die Zukunft und müssen einen Weg finden gegenseitig das Vertrauen und Verständnis aufzubringen, damit es nicht am Ende sogar noch (weiter) eskaliert.
Lösungsansätze zur Konfliktbewältigung
1. Offene Kommunikation und Respekt
Ein offener Dialog ist entscheidend. Beide Generationen sollten ihre Perspektiven und Bedenken klar kommunizieren können. Regelmäßige Meetings und Workshops können helfen, Missverständnisse auszuräumen und gemeinsame Ziele zu definieren. Man kann diesen Punkt nicht klar genug unterstreichen. Nehmt euch die Zeit und schafft ein Umfeld, bei dem alle die Zeit und den Raum haben konstruktiv in die Konfliktlösung zu gehen.
2. Gemeinsame Werte und Visionen definieren
Es ist wichtig, gemeinsame Werte und eine Vision für die Zukunft des Unternehmens zu entwickeln. Diese sollten sowohl die Traditionen und Errungenschaften der Gründer/innen als auch die Innovationen und Ambitionen der Nachfolger berücksichtigen. Auf diese Art und Weise merken alle, dass sie gehört und gesehen werden und man findet einen gemeinsamen Nenner unter dem das Unternehmen weiter agieren kann.
3. Externe Moderation und Beratung
Wenn sich eine solche Situation festfährt oder eskaliert kann ein neutraler externer Berater oder Moderator helfen, Spannungen zu mindern und einen objektiven Blick auf die Situation zu werfen. Dieser kann auch dabei unterstützen, eine Strategie zu entwickeln, die beide Generationen einbindet. Denkt daran, es geht immer um das Wohl des Unternehmens und der Individuen. Versucht also alle Lösungsansätze als legitim zu sehen.
4. Schrittweise Übergabe der Verantwortung
Eine schrittweise Übergabe der Kontrolle kann den Übergang erleichtern. Dies ermöglicht es den Gründer/innen, sich an die neue Rolle zu gewöhnen und gleichzeitig den Nachfolgern die Möglichkeit zu geben, sich zu beweisen. Auch das sollte ausreichend kommuniziert und geplant sein, damit beide eine Chance haben Ihren Input zu geben, wie sie diese Übergabe gerne haben möchten.
Die Chancen für Nachfolger
Nachfolgende Generationen in einem Familienunternehmen stehen vor der einzigartigen Gelegenheit, das Unternehmen zukunftssicher aufzustellen und in eine neue Ära zu führen. Am naheliegendsten sind die Chancen durch Digitalisierung, sofern noch nicht ausreichend ausgeschöpft. Durch die Implementierung moderner Technologien können Nachfolger nicht nur die Effizienz und Produktivität steigern, sondern auch neue Geschäftsmöglichkeiten erschließen. Digitale Transformation bedeutet, dass Prozesse automatisiert, Daten besser analysiert und Kundeninteraktionen personalisiert werden können. Dies kann von der Nutzung von Customer-Relationship-Management-Systemen (CRM) bis hin zu komplexen Algorithmen reichen, die Kundendaten in wertvolle Geschäftsentscheidungen umwandeln.
Digitalisierung kann auch bedeuten kollaborative Tools wie Slack, Trello oder Asana zu nutzen, um eine effizientere Zusammenarbeit und Kommunikation innerhalb des Teams zu ermöglichen. Diese Werkzeuge fördern nicht nur die Produktivität, sondern schaffen auch eine transparente Arbeitsumgebung, in der Projekte nahtlos verfolgt und Aufgaben effizient delegiert werden können. Eine effektive Kommunikation ist auch hier unerlässlich.
Und ja, auch die potenzielle Einführung und Nutzung von Künstlicher Intelligenz (KI) birgt wie überall enormes Potenzial für Innovation. KI kann in vielen Bereichen eingesetzt werden, sei es zur Automatisierung von Kundenservice-Interaktionen durch Chatbots, zur Verbesserung von Marketingkampagnen durch prädiktive Analysen oder zur Optimierung von Lieferketten. KI-getriebene Innovationen können das Unternehmen nicht nur wettbewerbsfähiger machen, sondern auch neue Märkte und Kundensegmente erschließen.
Diese technologischen und methodischen Veränderungen müssen jedoch auch in der Markenbildung widergespiegelt werden, um dem Markt die Transformation des Unternehmens zu signalisieren. Egal ob für die Mitarbeiter- oder Kundengewinnung – eine begleitende Markenstrategie ist entscheidend, um die Veränderungen und die neue Ausrichtung des Unternehmens zu kommunizieren. Typische Ansätze sind hier Re-Brandings, mit Refresh bzw. Modernisierung des Logos, eine Aktualisierung der Unternehmenswebsite oder eine komplette Neuausrichtung der Marketingmaterialien umfassen. Ein Re-Branding bietet die Möglichkeit, die Veränderung in der Identität des Unternehmens zu zeigen, sich als Marke neu zu definieren und sich vor allem klar von Wettbewerbern abzuheben.
Helfen kann dabei vor allem, dass die Persönlichkeit und Vorstellungen der Nachfolger in die neue Markenpersönlichkeit einfließen. Dies schafft nicht nur Authentizität, sondern auch eine tiefere Verbindung zu den Kunden. Die Nachfolger können ihre Visionen, Werte und Innovationen in die Markenstrategie integrieren, wodurch das Unternehmen eine frische und dynamische Ausstrahlung erhält. Eine Differenzierung, indem man der Marke eine klare Persönlichkeit gibt und diese nach außen kommuniziert ist nach meiner Meinung einer der effektivstens Ansätze für nachhaltige Positionierung und Wettbewerbsfähigkeit.
Fazit / TLDR;
Der Generationenwechsel in einem Familienunternehmen ist eine herausfordernde, aber auch chancenreiche Phase. Mit einer durchdachten (Marken-) Strategie und einem respektvollen Umgang miteinander können Konflikte innerhalb der Geschäftsführung gelöst und die Weichen für eine erfolgreiche Zukunft gestellt werden. Indem die Nachfolger ihre eigenen Ideen und modernen Ansätze einbringen, können sie das Unternehmen in eine neue Ära führen, ohne die wertvollen Traditionen und Errungenschaften der Gründer/innen zu vernachlässigen.
Tim Westerhausen
Rebellischer Empath, der einen Widerstand gegen Konformität und Einheitsbrei führt. Berater für Markenstrategie und Branding, Podcaster, Tagträumer.
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